Neue Mühlen für Weichweizen und Hartweizen

Kaum waren bei Swissmill die zwei neuen Weichweizenlinien installiert, nahm man den Umbau der Hartweizenmühle in Angriff, weitere Projekte sind in Vorbereitung. Über welche Fortschritte freut sich Simon Künzle als Leiter Technik? Wie beurteilt Antoine Bolay als Gesamtleiter Produktion und Technik die betriebliche Dynamik? Das Kornmagazin hat beide interviewt.
Antoine Bolay (links) und Simon Künzle nahmen im Herbst 2021 den ersten Diorit-Walzenstuhl MDDY bei Bühler in Empfang. Inzwischen stehen in den Weichweizenmühlen von Swissmill 36 neue Walzenstühle und in der Hartweizenmühle 14 davon. Bild: PD Bühler

Swissmill, ein seit 1843 gewachsenes Unternehmen, ist die grösste Mühle der Schweiz. Im Betrieb an der Limmat wird beständig gebaut, umgebaut und erneuert – und das bei laufender Produktion. Denn Produktionsunterbrüche müssen auf ein Minimum begrenzt sein. Das ist eine besondere Herausforderung für alle, hält aber auch fit. So wurde im Herbst 2021 mit der etappenweisen Mühlensanierung begonnen. Der Umbau der Weichweizenlinien A und B mit den 36 Walzenstühlen wurde nun Mitte August abgeschlossen. In der A-Mühle werden vorwiegend Standardmehle erzeugt, während in der B-Mühle vor allem Labelprodukte hergestellt werden.

Vier Fragen an Simon Künzle

Herr Künzle, Sie sind Maschinenbauingenieur und Leiter Technik bei Swissmill. Welche Vorteile bringen die neuen Diorit-Walzenstühle MDDY von Bühler? 
Simon Künzle: Neben der neuen und ausgereiften Mechanik liegen die Vorteile im Bereich der Produktsicherheit, der Hygiene und Arbeitssicherheit. Das umgesetzte  'Hygienic Design' verhindert Verunreinigungen im Walzenstuhl, die Maschinen lassen sich einfacher putzen und Teile schnell und sicher auswechseln. Durch die verschliessbaren Verdecke wird unbeabsichtigtes Hineingreifen verhindert. Vieles lässt sich über die Steuerung regeln. Anstelle von Zahnrad-Übertrieb mit Ölbad gibt es jetzt einen trockenlaufenden Zahnriemen-Übertrieb, auch das bedeutet mehr Produktsicherheit.

Inwiefern sind die neuen Walzenstühle 'digitaler'? Und was bedeutet das für die Müller und Müllerinnen?
 
Neu ist, dass die Walzenstühle dank des integrierten Webservers über verschiedene Geräte bedient und überwacht werden können: durch die Maschinensteuerung im Kontrollraum, drahtlos via Smartphone und Tablet und ebenso mittels Touchscreen am Walzenstuhl. Die Reaktion darauf war unterschiedlich. Gewisse Arbeitsweisen mussten angepasst werden. Doch, wenn wir die neuen Möglichkeiten aufzeigen und erklären, hilft das. Sodass die vielleicht anfängliche Skepsis weicht und die Freude über den Komfortzuwachs dank der flexiblen Bedienung wächst. Das ist durchaus wichtig, denn merkwürdigerweise kommt es bei Maschinen, die ohne Freude bedient werden, häufiger zu Störungen. 

Unsere Walzenstühle haben aber bewusst keine automatische Mahlspaltverstellung: Wir haben hervorragende Müller mit viel Erfahrung, Know-how und Passion; zudem arbeiten wir tageweise mit grossen Vermahlungsposten. Eine Automation macht da wenig Sinn. In Ländern etwa, wo es an qualifizierten Fachkräften fehlt, oder bei häufigen Produktwechseln, verhält es sich anders.

Am meisten begeisterten mich der Einsatz und das Zusammenspiel aller Beteiligten.

Simon Künzle



Mit der Modernisierung der beiden Weichweizenmühlen sind zahlreiche weitere Neuerungen verbunden.

Tatsächlich – diese erfolgten in intensiver Zusammenarbeit aller Beteiligten von Produktion, Mechanik, Elektrik und Automation. So löst das neue Mühlenleitsystem 'Mercury' das Vorgängersystem 'WinCoS Version2' ab. Es umfasst den ganzen Mühlenbetrieb mit seinen über 1'000 Maschinen und Anlagen. Im Weiteren werden die beiden Weichweizen-Reinigungslinien mit der neusten optischen Sortiermaschine von Bühler ausgestattet. Die bestehenden Sortex-Farbausleser ersetzen wir durch zwei 'Sortex H'. 

Schon im Vorfeld der einzelnen Umbauetappen bekamen die 72 Antriebe der beiden Weichweizenmühlen energieeffiziente Motoren mit eigens dafür konstruierter Aufhängung. Diese ermöglicht einen einfachen und schnellen Wechsel. Überhaupt wurden die elektrischen Einrichtungen – wie Stromverteilung und Zuleitungen – komplett erneuert. Selbst die Produktionsstillstände während des Umbaus wurden genutzt, um alle zwölf MPAD-Plansichter der Weichweizenmühlen gründlich zu restaurieren und deren Lebensdauer zu verlängern. Ein Austausch wäre für uns zeitlich und technologisch nicht machbar gewesen. Nicht zuletzt wurde das Mühlendiagramm entsprechend der aktuellen Bedingungen angepasst.

Unglaublich, alle diese Arbeiten bei 'laufender Produktion'. Was war für Sie das Highlight?
 
Am meisten begeisterten mich der Einsatz und das Zusammenspiel aller Beteiligten. Nur so konnten wir das unter diesen erschwerten Bedingungen ohne Zwischenfälle durchziehen. Nebenbei freut es mich natürlich auch, dass wir die ersten sind, welche die neuste Version der von Bühler in der Schweiz produzierten Diorit-Walzenstühle haben. Das war uns wichtig. Es gab gewisse Kinderkrankheiten, inzwischen sind diese aber nahezu behoben.

Fünf Fragen an Antoine Bolay

Sie, Herr Bolay, tragen als Nachfolger von Raimund Eigenmann die Gesamtverantwortung über Produktion und Technik. Ein wichtiger Aufgabenbereich ist dabei das Personelle. Worüber freuen Sie sich? 
Antoine Bolay: Die Identifikation unserer Leute ist sehr gut. Die älteren Müller im Betrieb sind es gewohnt, sich immer wieder auf technologische Änderungen einzulassen. Manchmal braucht es etwas Zeit, aber es führt kein Weg daran vorbei. Wenn die Mitarbeitenden sehen, dass sie mitgestalten können, kommen sehr viele Inputs. Auch die Jungen ziehen mit, das ist schön und befriedigend.

Der gestaffelte Umbau der beiden Weichweizenlinien innert zehn Monaten hat dem Produktionsbetrieb viel abverlangt. Man hat also den Schwung ausgenützt, um so gerade auch noch die Durum- bzw. Hartweizenmühle zu erneuern? 

Sie sagen es. Von dieser Erfahrung konnten wir jedenfalls bei der Planung und dem Ersatz der 14 Durum-Walzenstühle aus dem Jahr 1999 stark profitieren. Bereits Ende September nun gingen nach drei Umbau-Etappen die letzten vier neuen Durum-Walzenstühle in Betrieb. Die Plansichter wurden ebenfalls saniert, die gesamte Elektronik wird überholt; bei den neuen energieeffizienten Motoren gibt es jedoch Lieferverzögerungen. In der Getreidereinigung stehen neu zwei Schleifmaschinen von Bühler. Das bringt uns bei der Vermahlung eine rund zehnprozentige Leistungssteigerung, da die Hartweizenkörner ohne Schale auf die Mühle kommen.

Es ist wunderschön, dass wir in die nächste Mühlengeneration investieren und zukunftsgerichtet arbeiten können.

Antoine Bolay



Weitere Bauvorhaben im Zusammenhang mit dem neuen Masterplan sind in Vorbereitung. Da ist wirklich viel los? 

Ja, mit der Verlegung 2023 der Bereiche Administration, Labor, QS/QM und Versuchsbäckerei vom Sihlquai 306 in zwei benachbarte Liegenschaften von Coop werden Flächen frei. Angesichts der engen Platzverhältnisse in den Produktionshallen können wir somit entflechten, die Räume ausschliesslich für die Produktion nützen und entsprechend den Trends etwa das Hafer- oder Labelsortiment stärken.

Zuerst pandemiebedingt, dann aufgrund der Mühlensanierungen arbeitete die Produktion auf Hochtouren. Wie ist Ihre Bilanz? 

Allen Leuten in meiner Abteilung, von A bis Z, gebührt ein grosser Dank für ihren tollen Einsatz. Für uns ist der Mühlenumbau eine Freude, es ist wunderschön, dass wir in die nächste Mühlengeneration investieren und zukunftsgerichtet planen und arbeiten können. Letztlich geht es aber um mehr als um neue Walzenstühle. Es geht um technische Entwicklungen, die nie abgeschlossen sind, um Mitarbeitende und ebenso um Teamentwicklung. Dadurch, dass die Mühlen wieder auf dem neusten Stand sind, ist es für meine Teams wichtig, dass wir wieder etwas Ruhe in den Produktionsalltag bringen. Es braucht eine gewisse Balance, sodass wir Routine- und Prozessarbeiten schön pflegen können; ohne dass wir Projekte auf die lange Bank schieben, bis die Maschinen oder Anlagen eines Tages kaputt sind. 

Genauso zentral wie die Generationenpflege im technischen Bereich ist die Generationenpflege im Bereich der Mitarbeitenden. So machten wir uns daran, unsere Teams mit neuen Kräften zu verstärken, auch zusätzliche Müller anzustellen.

Was ist Ihnen in der Führung wichtig?
 
Ich versuche immer wieder, das Grosse und Ganze ins Zentrum zu stellen und Interessen abzuwägen. Ich kann nicht nur aus einer Perspektive reden, sondern muss versuchen, die Sichtweise meiner Mitarbeitenden und jene der Geschäftsleitung einzubeziehen und vor diesem Hintergrund zu agieren. Wichtig ist, dass ich mir klar bin, aus welcher Perspektive ich rede und handle. Erkläre ich beispielsweise im Gespräch mit Mitarbeitenden glaubwürdig die unterschiedlichen Positionen, ergeben sich daraus Lösungen und eine gute Kooperation. 

Im Bereich Produktion und Technik vereinen wir mit 60 Leuten viele Fähigkeiten; und wir haben auch Spielraum. Es ist wertvoll, wenn in der Produktionsarbeit eine Mischung aus verschiedensten Talenten und Erfahrungen zusammenkommt – und die Leute ihr Know-how einbringen können und mit Begeisterung mitgestalten. Mir ist es wichtig, dass wir als Gesamtproduktion abteilungsübergreifend denken und handeln und füreinander einstehen – und auch die Jungen mit ihren Stärken gut einbinden.

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