Was beeindruckt Sie, Herr Sciaranetti, in der langen Entwicklung des Unternehmens?
Mut, Innovations- und Tatkraft charakterisieren die Erfolgsgeschichte der einstigen Stadtmühle, von den Pionierjahren der Familie Maggi über die Mühlengenossenschaft bis zur heutigen Swissmill. Alle Teams stellten sich zu ihrer Zeit wechselnden Herausforderungen. Trotz aller Hochs und Tiefs gelang es, das Unternehmen einfallsreich und positiv stetig weiterzuentwickeln. Dieser Geist beeindruckt mich.
Wie traten Sie 2010 Ihre Aufgabe als Geschäftsleiter bei Swissmill an?
Ich sah mich in einer positiven Situation: Ich übernahm ein gut eingespieltes Team in einem spannenden Umfeld. Die Produktion war technologisch gut aufgestellt. Die bisherige Erfolgsgeschichte weiterzuschreiben, darin sah ich die Herausforderung.
Wie verstehen Sie Ihre Führungsrolle im Unternehmen?
Eine ausgesprochene Macherkultur ist im Betrieb gut verankert. Meine Idee war und ist es, Entwicklungen unternehmerisch-kreativ anzugehen und den wirtschaftlichen Aspekten ausgewogen Rechnung zu tragen. Den Mitarbeitenden und Teams gewähre ich unternehmerische Freiräume. Sie bringen ihre Ideen ein, und ich schaffe die Rahmenbedingungen, dass sie sich eigenverantwortlich bewegen können.
Wo sehen Sie die Stärken des Unternehmens?
Die gewachsene Vielfalt an einem Standort ist einzigartig. Sie widerspiegelt sich in den Getreidesorten, Technologien, Labels und einem entsprechend breiten Produktsortiment. Wir bieten Kunden ein Vollsortiment und Serviceleistungen aus einer Hand. Eine Stärke von Swissmill ist sicherlich, dass wir Eigenschaften von Mehlen und Mischungen für unterschiedlichste Backwaren bestens kennen. So profitieren unsere Abnehmer von der langjährigen Erfahrung, die in unseren Produkten steckt.
Platzfragen
Vielfalt bringt fraglos auch Herausforderungen mit sich.
Vielfalt an einem Standort ist ein Thema, das uns tatsächlich immer aufs Neue fordert. Die knappen Platzverhältnisse waren für die Weiterentwicklung der Mühle immer ein limitierender Faktor. Aber er förderte die Kreativität. Darin sehen wir heute einen Wettbewerbsvorteil. Standardlösungen taugten oft nicht, Massgeschneidertes führte uns weiter.
Können Sie das noch etwas ausführen?
Die Platzverhältnisse sind eng, die Produktion ist aber breit aufgestellt. Das bedingt, dass wir bei einem Erweiterungsprojekt bestehende Einrichtungen und Strukturen bis an die Peripherie kritisch überdenken. Ein wichtiger Sparringspartner für die Umsetzung ist oft die Firma Bühler. Mit ihr verbindet uns eine lang gewachsene Zusammenarbeit. Eine Mühle ist technologiegetrieben, die Einrichtungen im Innern sind das Herzstück. Dennoch ist sehr viel Know-how von unseren Mitarbeitenden gefordert. Der Berufsstolz der Müller ist zu Recht hoch.
Swissmill will weiter diversifizieren, in welcher Form?
Wir möchten unseren Radar weit öffnen und unser Produktportfolio ergänzen. Insbesondere da, wo unsere Kompetenz schon ausgeprägt ist. So bauen wir etwa unsere Misch- und Extrusionskompetenz weiter aus. Vielfalt ist für uns ein Schlüssel zum Erfolg. In allen Segmenten haben wir in den vergangenen Jahren Marktanteile hinzugewonnen. Wir haben gesunde Wachstumsziele definiert, sind aber nicht bestrebt, alles zu können.
Könnte man in Sachen Komplexität nicht an Grenzen stossen?
Die zusätzliche Komplexität, die aus neuen Geschäftsfeldern resultiert, werden wir mit Massnahmen und neuen Mitteln angehen. Wir sind dabei, ein wichtiges Informatikprojekt zu realisieren. Es soll uns im gesamten Produktionskreislauf und in der Absatzplanung prozessmässig unterstützen.
Welche Vorteile bringt eine Sortimentserweiterung?
Diversifikation ist primär eine Wachstumsstrategie von Swissmill. Diversifizieren wir, federn wir auch gleichzeitig Marktrisiken besser ab, bis hin zu einer allfälligen Marktöffnung. Politisch dürfte eine solche zwar nicht mehrheitsfähig sein, aber die agrarpolitischen Rahmenbedingungen haben sich in den vergangenen Jahren merklich verändert. Der Grenzschutz im Agrarbereich wurde schrittweise reduziert, der Wettbewerb so verschärft.
Branchenverantwortung
Welche Bedeutung haben branchenübergreifende Beziehungen?
Als grösste Mühle im Land tragen wir Verantwortung und engagieren uns in verschiedenen Gremien und Fachgruppen der Müllerei- und Getreidebranche, sei es beim Dachverband der Schweizer Müller DSM, bei Swiss Granum oder der Foederation der Schweizerischen Nahrungsmittel-Industrien (fial) bis hin zur Berufsbildung. Swissmill ist eine wichtige Partnerin der Schweizer Landwirtschaft.
Es ist mir ein Anliegen, Rahmenbedingungen aus einer Gesamtsicht heraus möglichst aktiv und in einem offenen Dialog mitzugestalten. Je konstruktiver man sich einbringt, desto eher finden Interessen über die Branche hinaus Gehör. Gemeinsam haben wir so etwa erreicht, dass Mühlen-Nachprodukte wie Kleie in die Grundfutter-Liste der graslandbasierten Milch- und Fleischproduktion aufgenommen wurden.
Inwiefern profitiert Swissmill von der Zusammenarbeit mit Coop?
Coop war für unseren Betrieb oft ein Treiber für Innovationen, etwa im Retailgeschäft mit den Kleinpackungen. Wir kamen den Bedürfnissen der Bäckereien nach und folgten Zielsetzungen für Sortimentserweiterungen. Wir sind eigenständig, als Division aber vertikal eingebettet. Das Tandem mit Coop wirkt für uns sehr unterstützend und inspirierend.
Stetig dazulernen
Swissmill arbeitet mit Coop als internem Kunden und Drittkunden zusammen. Heisst das, dass Sie verschiedenen Rollenansprüchen gerecht werden müssen?
Coop als unsere Eigentümerin ist für uns eine besondere Kundin, die es immer wieder zu überzeugen und zu begeistern gilt. Unsere Mitarbeitenden mussten stetig dazulernen, um sich an die hohen Zielsetzungen von Coop heranzuarbeiten und diesen zu genügen.
Die Öffnung ab den Sechzigerjahren für Drittkunden mit ihren Anforderungen brachte neuen Schub ins Unternehmen. Eine autonome Benchmark ist wichtig: Operiert man als Zulieferer einzig im eigenen Universum, fehlt die Gewissheit, dass man im Markt wettbewerbsfähig bestehen kann.
Wie ist das gelungen?
Besonders in den letzten Jahren konnten wir bei Drittkunden weiter Vertrauen aufbauen. Wir pflegen offene und partnerschaftliche Beziehungen. Wir achten darauf, dass wir die Ansprüche unserer Mutter Coop wie diejenigen eines dritten Kunden wahrnehmen. Andererseits sind uns grosse und kleinere Drittkunden genauso wichtig. Im Kern versuchen wir für alle Kunden, unser Bestes zu geben.
Zukunftsglaube
Der Bau des Kornhauses war eine aussergewöhnliche Herausforderung. Welche Faktoren haben zum Erfolg beigetragen?
Das Kornhaus ist ein markanter Meilenstein in unserer Geschichte, worauf wir stolz sein dürfen. Von aussen wird das Kornhaus als Investition in die Zukunft wahrgenommen, es signalisiert deutlich, dass wir an die Wertkette Getreide, Mehl, Brot glauben.
Möglich wurde der Bau durch ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren: zunächst dank des Vertrauens von Coop in unser Unternehmen. Entscheidend war die politische Zielsetzung des Zürcher Stadtrats, dass Produktion und Industrie auch künftig in der Stadt Platz haben sollen. Im Bahnanschluss liegt dafür eine wichtige Voraussetzung. Nicht zuletzt war das Engagement unserer Mitarbeitenden grundlegend für den Erfolg.
Sie dürfen sich über ein hohes Engagement im Betrieb freuen.
Die Begeisterung, die von langjährigen Mitarbeitenden ausgeht, ist bemerkenswert und springt auf unsere Nachwuchskräfte über. Dass wir als Unternehmen mit Innovationen immer wieder vorausgehen wollen, leuchtet wie eine weit vorne aufgehängte Laterne und wirkt sehr motivierend.