Immer wieder Schwung geholt

Gesellschaftliche und technologische Entwicklungen und ganz besonders Menschen haben über alle Jahre unser Unternehmen geprägt.
1855: Blick von Höngg aus auf die Stadt. An der Limmat, rechts neben dem Bahnviadukt der damals neu eröffneten Linie Zürich-Oerlikon – Winterthur – Romanshorn das ursprüngliche, dreistöckige Mühlengebäude.

Schauen wir auf die 175-jährige Geschichte unserer Mühle, staunen wir, wie viel seit je gearbeitet und investiert wurde. In verschiedenen Epochen war die Weiterentwicklung gefährdet. Mutig verstand man es immer wieder, die Zukunft des Unter­neh­mens zu sichern.

Es folgt ein Überblick – von den Anfängen bis in unsere Tage.

Mehle statt Taschentücher

Da, wo heute unsere Mühle steht, veredelte vor 200 Jahren die 1780 gegründete Kattun­druckerei der Familie Esslinger Textilien. Erfolgreich war sie mit dem Export von bedruckten Baum­woll­stoffen und Taschen­tüchern. Im Zuge der inter­nationalen Wirtschafts­krise schloss sie jedoch 1837 ihre Tore. Das weit­läufige Fabrik­areal gelangte zerstückelt an verschiedene Eigen­tümer. Die 1843 im Mittelteil eingerichtete Mühle wurde 30 Jahre später von der Stadt gekauft, alsbald von der Familie Maggi gemietet und 1894 gekauft. Fällt der Name Eugen Maggi, gilt es zu unter­scheiden: Der Vater leitete die Entwicklung in den Anfängen, der Sohn unternahm nach dem Kauf der Mühle grosse Schritte.

Pioniergeist der Maggis

Die Geschichte der Familie Maggi ist interessant: Michael Maggi, eingewandert aus Italien, kaufte nach seiner Einbürgerung die Neumühle in Frauenfeld und heiratete 1839 Sophie Esslinger (geschiedene Hotz). Ihren Vorfahren gehörte die Kattun­druckerei. In die Ehe brachte sie Eugen ein, ihren dreijährigen Sohn. Michael Maggi adoptierte ihn. Unter den Kindern des Paares war auch Julius (*1846). Zusammen mit Eugen leitete er ab 1869 die zugekaufte Hammermühle in Kemptthal. Hier entwickelte er später Leguminosen­mehle für Fertig­suppen. Mit der Erfindung der Maggi-Suppenwürze 1886 wurde Julius Maggi welt­berühmt.

Der Senior

Erst nach mehrmaliger Ausschreibung interessierte sich Eugen Maggi für die Stadtmühle. Nach langen Verhandlungen stand 1874 ein Mietvertrag für die Dauer von zwölf Jahren: Die Stadt lieferte «30 HP Kraft» (30 Horsepower bzw. 30 PS) und sorgte für Umbauten. Das Hauptgebäude wurde um zwei auf fünf Geschosse aufgestockt. Eugen Maggi zahlte eine Jahresmiete von 8’000 Franken, leistete 20’000 Franken Kaution und brachte die Mühle mit modern­sten Hartgusswalzenstühlen auf den neuesten Stand (siehe Meilenstein 1876, unten).

Ab den 1880er Jahren lösten die Walzenmühlen die alten Stein­mühlen nach und nach ab. Sie mahlten viel schneller. Die Industrialisierung führte da und dort zu einer starken Über­produktion. Billiges Mehl aus Ungarn und Deutschland forderte die Schweizer Müller stark heraus.

Die Söhne

Dennoch: 1894 erwirbt Eugen Maggi (*1868) mit Bruder Armin die Stadtmühle. Teile des Mühlen­trakts lässt er abbrechen, er baut an und auf. Die Back­stein­fassade wird reich verziert. So entsteht mit der erweiterten Stadtmühle die grösste Mühle des Landes. Die Abläufe der Produktion auf fünf Stock­werken plant Eugen Maggi sorgfältig nach Dia­­grammen. Wiederum werden für die Weizen­ver­mahlung neueste Walzenstühle installiert. Ein Vier­walzen­stuhl von Bühler aus dem Jahr 1899 erinnert im Parterre des Swissmill-Büro­gebäudes noch immer an diese Epoche. Entstanden war eine der modernsten Mühlen des Kontinents, nur geriet der Betrieb für jene Jahre eine Nummer zu gross. Billig­mehle deutscher Müller bedrängten nach wie vor den hiesigen Markt.

Zusammenschluss, Krise

1907 / 1908 fusionierten die Wehrli-Mühle und die Koller-Mühle mit der Stadt­mühle. Eugen Maggi blieb Mehrheitsaktionär. Die engen Platz­verhält­nisse am Mühlesteg in der Altstadt, ohne Bahn­anschluss, boten den beiden Mühlen keine Entwick­lungs­­möglich­keiten. So kam die Zusammen­­legung allen Seiten gelegen. Dennoch geriet Eugen Maggi in finanzielle Schwierig­­keiten. Dies durch Druck auf die Branche (siehe Zoom Coop / Geschichte: Eigene Mühle als Rettung), durch ausser­geschäftliche Speku­lationen und weil er über die Verhältnisse gelebt haben soll. Nach dem Verkauf der Stadt­mühle an die Mühlen­­genossen­schaft 1912 betrieben Wehrli & Koller ihre Mühle bis 1983 an einem neuen Standort, in Zürich-Tiefenbrunnen.

Traurige Wende

Laut Denkschrift von 1953 stand der «Verband Schweizerischer Konsumvereine VSK, in Ver­bin­dung mit einer damals relativ grossen Anzahl Vereine, 1912 an der Wiege» der neuen Genossen­schafts­mühle. Eugen Maggi wirkte auch nach dem Verkauf seiner Mühle an die Mühlengenossenschaft MSK als Geschäftsführer und technischer Betriebs­leiter. Er fand sein Glück nicht. Am 10. Juni 1913 – noch im ersten Geschäftsjahr – verstarben er und seine Frau völlig unerwartet. Als Todes­ursache gilt Suizid mit Leuchtgas. Die MSK, betrübt über den Verlust, hielt fest: «Ein vollgültiger Ersatz war im Augenblick schwer zu finden.» Eugen Maggi war in seiner umfassenden fachlichen Kompetenz anerkannt.

Treibende Kräfte

Während vieler Jahre trugen der geschäftsführende Direktor, ein Direktions­gremium und der Ver­wal­tungs­rat die Verant­­wortung. Geschäfts­­führer wie Eugen Maggi und Carl Hersberger waren ebenfalls in der Direktion vertreten. An einige Führungs­­kräfte im MSK-Direktorium sei hier erinnert: National­rat Bernhard Jaeggi, Basel, galt laut Denk­schrift von 1963 als eigent­licher Vater der Mühlen­­genossen­­schaft und war während 32 Jahren «lenkender Geist und belebende Kraft». – Dr. H. Balsiger, in der Leitung des Lebens­­mittel­­vereins Zürich, stellte 1912 den Kontakt zu Eugen Maggi her und war mit Bernhard Jaeggi bei den Kauf­verhand­lungen feder­führend. – Prof. Friedrich Frauchiger stand während 46 Jahren «im Dienste der Genossen­schafts­bewegung» und zeichnete als Verfasser von zwei MSK-Festschriften. – Eine prägende Rolle spielte auch Carl Hersberger, «der das Unter­nehmen während 45 Jahren mit wachsender Erfahrung und steter Erweiterung seiner Kennt­nisse auf- und ausbauen durfte.»

Blick in unsere Mühle um 1935: Riemenantrieb und Schneckenförderer im Holzgehäuse.


1873 – Die «Stadtmühle»

Jetzt bekommt die Mühle am Sihlquai ihren Namen, den sie heute noch auf der Fassade zur Limmat hin trägt: «Stadtmühle». Warum kaufte die Stadt Zürich diese Mühle, um sie sogleich weiterzu­vermieten? Sie sicherte sich damit das Wasser­recht für ein Pump­werk samt Speichersee. Das Letten-Kraftwerk diente ab 1874 der Wasser­versorgung der Stadt: Mit dem Limmat­wasser wurde Trink­wasser aus dem See in Reservoire am Zürich­berg und in die Haus­halte gepumpt. Gleich­zeitig erzeugten Wasser­räder in der Limmat mechanische Energie, mit der in den Betrieben über Ketten und Riemen Walzen
und Zahnräder ange­trieben wurden. Bei tiefem Wasser­stand ergänzten Dampf­maschinen mittels Kohle­verbrennung die Versor­gung.

Im Jahr des Zu­sam­men­schlusses mit elf Nach­bar­gemeinden, 1893, entstand das EWZ. Über Nacht war Zürich zur grössten Stadt der Schweiz geworden. Das Letten-Kraftwerk erzeugte Strom und sorgte damit auch für elektri­sches Licht. Eine 1,2 Kilometer lange Drahtseil-Transmission führte die Kraft aus den Turbinen am Letten auch zur Stadt­mühle im neuen Indus­trie­quartier.


1876 – Walzenrevolution

Die Stadt­mühle wird mit den allerersten Hart­guss­walzen der Schweiz ausge­stattet. Eugen Maggi hatte die gemietete Stadt­mühle «auf Ganz’sche Walzen­stühle, System Wegmann» um­gebaut. Schweizer Pioniere verhalfen der Walzen­technologie zum Durch­bruch: Zunächst die 1834 aus gehärtetem Eisen entwickelten Walzen von Sulzberger in Frauenfeld. Dessen Mitarbeiter, Abraham Ganz, entwickelte in den 1850er Jahren in seiner Fabrik Ganz & Co. in Budapest mit Riffeln versehene Hart­guss­walzen. In der Kombi­nation mit dem 1873 konstru­ierten Porzellan-Walzenstuhl von Wegmann in Zürich revolu­tionier­ten sie die Techno­logie in der Müllerei. Gefertigt wurden die Wegmann-Walzen­stühle bei der Daverio, Henrici & Cie AG in Zürich.


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