Persönlich

Lars Feldmann

Geschäftsführer Betty Bossi

«Die Bedeutung von Kochen und Essen hat für manche in der Bevölkerung eine grössere Ernsthaftigkeit bekommen.»

Lars Feldmann

Als Marketingleiter tritt er 2009 ins Unternehmen Betty Bossi ein und wird Mitglied der Geschäftsleitung. 2016 übernimmt er die Geschäftsführung der Coop-Tochter. Ein Interesse für die Lebensmittel­branche zeigte sich schon früher: Er war Mitinhaber der Handels­agentur Best Foods Trading GmbH sowie Gründer und geschäftsführender Partner des Beratungs­unternehmens b&f concepts. Die Vermarkungs­plattform Alpinavera für Produkte aus Berg­kantonen baute er mit auf. Von 2000 bis 2004 war er als Senior Researcher beim Gottlieb Duttweiler Institut tätig. Seinen beruflichen Einstieg machte er als Wissen­schaftlicher Mitarbeiter von Swiss Re, beim Projekt Holocaust Settlement. Lars Feldmann (50) absolvierte an der Uni Zürich ein Studium in Geschichte, Betriebs­wirtschaft und Sozial­psychologie. Beim Kinderzirkus Robinson ist er seit 2013 Präsident des Trägervereins. Wie seine Ehefrau gehört er zum Trainingsteam der Zirkusschule, er wirkt als Ensemble-Trainer Jonglage. Ein Foto zeigt ihn witzig im Business­anzug mit Krawatte beim Jonglieren mit Schwing­besen. Übrigens, alle drei Kinder des Paares sind/waren ‘Zirkuskinder’.

Betty Bossi – die unsterbliche Köchin

Seit Jahrzehnten prägt Betty Bossi in einzigartiger Weise die Kochkünste und Esskultur in unserem Land. Das Kornmagazin spricht mit CEO Lars Feldmann über erfolgreiche Transformationsprozesse, Trends und Kernanliegen.
Lars Feldmann freut sich, einem Team von Mitarbeitenden «mit riesigem Herzblut» vorzustehen. Bild: Betty Bossi

Herr Feldmann, welche gesellschaftliche Rolle nimmt Betty Bossi ein? Was zeichnet sie als Kunstfigur aus? 
Ein Faszinosum ist, dass sie bis heute nicht eigentlich als Kunstfigur wahrgenommen wird, sondern seit Jahrzehnten vielen Menschen das Gefühl gibt: Da ist eine praktisch veranlagte Freundin, die mich kompetent auf Augenhöhe begleitet und weiss, wo der Schuh drückt. Betty Bossi ist stets mit der Zeit gegangen. Mit einfachen Rezepten, die immer gelingen, wurde das Fundament des Mythos gelegt. Heute steht Betty Bossi als kulinarische 360-Grad-Marke da. 

Was fasziniert Sie persönlich an ihr?
Die Sympathie und Nähe, die sie in den Menschen weckt. Vor einigen Jahren hatte ich ein Erlebnis: Bei einer unserer Markt­forschungsstudien wurden die Teilnehmenden gefragt, wie alt sie Betty Bossi schätzen würden. Die 30-Jährigen schätzten sie etwa ihrem Alter entsprechend, die 60-Jährigen genauso. Das kommt nicht von ungefähr. Wir achten auf einen Generation­enmix im Team; eine gewisse Beseeltheit und grosse Leidenschaft für Kulinarik steckt in allen unseren Mitarbeitenden. Gelernte Köche und Gastronominnen, Lebensmittel­technologen und weitere Kulinarik­fachleute arbeiten nicht nur bei den Rezept­schreibenden, sondern auch in der Werbung oder im Einkauf.


Influencerin

Betty Bossi als Freundin und Helferin. Inwiefern ist sie auch eine Influencerin? War sie das schon immer? 
Sie ist nachweislich die Influencerin der letzten 30 bis 40 Jahre im Land. Zum Beispiel brachte sie in den Achtzigern die italienische Küche in die (Deutsch-)Schweiz, so fanden Tiramisù oder Panna Cotta in der hiesigen, damals noch sehr traditionellen Küche rasch Verbreitung. Als wir vor rund acht Jahren ein erstes Rezept mit Quinoa als Fleischersatz lancierten, war die Zutat im Detailhandel in Kürze ausverkauft. Dasselbe Phänomen später bei unseren herzigen weiss-roten Schneemännli auf dem Weihnachts­dessert – Marzipan war ausverkauft.

«Betty Bossi ist nachweislich die Influencerin der letzten 30 bis 40 Jahre im Land.»

Lars Feldmann


Bis heute beeinflusst Betty Bossi die Koch­gewohnheiten und Interessen im Land, wenn es darum geht: Was essen wir, an was wagen wir uns kulinarisch heran, was macht uns Spass? Angesichts der Vielfalt der kulinarischen Bedürfnisse und Medien, besonders auch der Influencerinnnen und Influencer in den sozialen Netzwerken, hat die lineare Durchschlags­kraft eines einzelnen Absenders an die Adresse vieler jedoch abgenommen. 

Zwischen feiner Küche und wertiger Convenience: Welches sind herausragende Trends? 
Regionale, naturverträgliche/­ökologische Produkte und gesundheitliche Aspekte sind grosse Themen. Eine Rückbesinnung auf die Qualität der Zutaten hat das letzte Jahrzehnt bei Betty Bossi mitgeprägt. Sie sind das Herz des Essens. Der Geschmack guter Zutaten sollte erlebbar bleiben und nicht etwa die geschmacklichen Manipulationen. Auch bei unseren Frisch­convenience-Produkten fragen wir uns: Ist es die Zutat, die den Geschmack trägt oder die Würzung rundherum? Oft gilt: Weniger ist mehr.


Fleischkonsum

Gibt es klare Verschiebungen in den Essgewohnheiten?
Es zeichnen sich kontinuierliche Verschiebungen ab. Wir werden von Jahr zu Jahr weniger Fleisch essen. Dabei gibt es in der Bevölkerung zwei unterschiedliche Entwicklungs­richtungen: Jene, die eine traditionelle, fleischlose Ernährung vorziehen und dabei auf die Vielfalt von Gemüse und Hülsen­früchten oder die varietätsreiche asiatische Küche ohne Fleisch setzen. Und jene, die intelligente Fleisch­ersatz­produkte etwa aus Erbsen schätzen. Beide Tendenzen sehe ich in meiner Familie: Unsere Tochter und die beiden Söhne, zwischen 16- und 21-jährig, ernähren sich fleischlos, wobei ein Sohn sich gerne Fleisch­ersatz­produkte sucht, die wie Fleisch aussehen und schmecken. Ich bin gespannt, welches die grössere Entwicklungs­strömung sein wird, heute ist es ein Kopf-an-Kopf-Rennen. 

Inwiefern prägt Nachhaltigkeit die Bestrebungen von Betty Bossi? 
Für uns ist es ein überdachendes Thema mit sehr vielfältigen Entwicklungen, die auf alle unsere Geschäfts­tätigkeiten Einfluss nehmen. Ich glaube, dass die letzten drei bis vier klima­bewegten Jahre und die Coronazeit die globale, gesellschaftliche Fragilität und die Abhängigkeit des Menschen von der Natur aufgezeigt haben. Schon lange vorhandene Nachhaltig­keits­themen haben einen ausserordentlichen Schub erfahren. 

Zu den grossen Trends gehört bestimmt auch Gesundheit? 
Ja, Gesundheit im Zusammenhang mit gesellschaftlichen Erkrankungen wie Diabetes, ­Herz-/Kreislauf-Symptomatiken oder Krebs ist ebenfalls ein Thema, das uns überall beschäftigt. Dazu kommen Fragen um Unverträglichkeiten und ein Bewusstsein für 'free from'-Produkte bis hin zu Lifestyle-Themen und Diäten.


Verunsicherungen 

Was bedeuten die beschriebenen Trends für Betty Bossi? 
Die grossen Strömungen, sprich die Megatrends, sind die Quelle unserer Geschäfts­entwicklung und bieten uns enorme Chancen. Die Vision von Betty Bossi ist es, die Menschen auf dem einfachsten Weg zum Genuss zu begleiten. Doch machen die Megatrends den Weg dahin vielfältig.

Inwiefern? 

Eine Verunsicherung ist bei vielen feststellbar. Das sehen wir an den Fragen, die wir zugeschickt bekommen: «Liebe Betty Bossi, wie muss ich mich ernähren, wenn ich klima­schonender essen möchte?» – «Liebe Betty Bossi, ist Fett wirklich ungesund?» – «Soll ich fünfmal am Tag essen oder nur dreimal? Die eine Studie sagt dies, die andere das?» Nun, solche Fragen können zu einer echten Belastung werden, wenn wir uns bei jedem Essen Sorgen machen oder ein schlechtes Gewissen haben. Das ist Stress und nicht mehr der einfachste Weg zum Genuss. 

Da wollen wir als Betty Bossi uns weiter engagieren, nach Lösungen suchen und Themen­bereiche auch neu angehen, um unsere Kundinnen und Kunden zu unterstützen. So dass sie sich mit grossem Vertrauen auf die Marke Betty Bossi einlassen können und sich bei täglichen Fragen oder spezifischen Themen, etwa dem Abnehmen, auch gut begleitet wissen. Für Letzteres haben wir zum Beispiel unsere personalisierte Rezepte-App «Gesund abnehmen» als Teil eines umfassenden Abnehm­programms entwickelt. Von den Produkten bis hin zu den Services fragen wir immer: Was braucht es? Haben wir es schon? Können wir es besser machen? Braucht es neue Leistungen und Dienstleistungen für Kundinnen und Kunden? 

Welche Bevölkerungssegmente spricht Betty Bossi heute an? 
Mit unseren breiten Aktivitäten als Rezeptanbieterin, Frisch­convenience-Marke und Erfinderin von spannenden Küchengeräten – in einem Wort: alle.


Radikale Erweiterung

Von der ersten Rezepte-/Haushalt-Zeitschrift bis zum heute diversifizierten Unternehmen – worüber staunen Sie beim Blick über den grossen Bogen der Transformations­prozesse? 
Zwei Transformations­prozesse von Betty Bossi möchte ich hier nennen. Zum einen die Entwicklung von Küchengeräten ab den Achtzigern. Die erfolgreiche Verbindung von Rezepten und Geräten hilft, dass unsere Rezepte noch einfacher, besser oder schöner gelingen. 

«Den Kern des Erfolgs sehe ich in der sprichwörtlichen 'Geling​garantie', die mit der Marke verbunden ist.»

Lars Feldmann


Dann, mit der Beteiligung von Coop im Jahr 2001, begann sich Betty Bossi als 360-Grad-Foodmarke zu etablieren. Gemeinsam wurde die Idee entwickelt, neue Frisch­convenience-Produkte zu lancieren. Es fasziniert mich bis heute, dass es gelungen ist, eine Marke, die anfänglich ausschliesslich fürs Selberkochen stand, auf eine Metaebene zu heben und mit einem radikalen Gegenentwurf zu erweitern: Statt dass ich alles selber koche, steht die Marke plötzlich auch für Halbfertig- und Fertig­gerichte. Da hatten meine Vorgänger eine gute Nase. Den Kern des Erfolgs sehe ich in der sprichwörtlichen «Geling­garantie», die mit der Marke verbunden ist, die Gewähr, dass etwas gut ist und funktioniert. 

Welche Bedeutung hat Betty Bossi für Coop? 
Betty Bossi ist einerseits eine der bedeutendsten Coop-Eigenmarken im Sortiment, die im Laden täglich Frische, Vielfalt und kulinarische Innovation transportiert. Andererseits sind wir mit unserer Food-Consulting-Arbeit das kulinarische Inspirations­labor für alle Food-Eigenmarken; wir scouten weltweit nach Produkt­innovationen für das Coop-Sortiment, entwickeln Prototypen und sorgen damit für eine kulinarische Differenzierung zu unseren Mitbewerbern im Detailhandel. Zudem entwickeln wir Rezepte für die Kulinarik-Plattform Fooby, unterstützen die Entwicklung neuer Formate und die Coop-Gastronomie mit Kulinarik-Dienstleistungen.

Und umgekehrt, welche Bedeutung hat Coop für Betty Bossi? 
Wir wachsen in unserer kulinarischen Kern­kompetenz dank und mit Coop. Coop bietet unseren kulinarischen Profis ein riesiges Betätigungs­feld und ermöglicht uns einen laufenden Ausbau unserer Aufgaben und Kompetenzen. 

Seit 2009 sind Sie im Unternehmen, seit 2016 sind Sie Geschäftsführer. Was haben Sie als früherer Marketingleiter für Ihre Funktion als CEO besonders gelernt? 
Als CEO bin ich direkt verantwortlich für mehr als eine Million Kundinnen und Kunden, die unsere Medien und Küchen­produkte nutzen. Ich habe gelernt, dass Betty Bossi für viele Menschen eine Herzens­angelegenheit ist, dass wir nicht nur Kundinnen und Kunden, sondern auch Tausende Fans haben. Daraus ergibt sich eine ganz besondere Verpflichtung und Verantwortung.


Sympathiegewinn

Inwiefern brachte das Jahr 2020 mit dem Lockdown Betty Bossi neuen Schub? Welches Engagement des Unternehmens steckt dahinter?
In einer ersten Phase vor und zu Beginn des Lockdowns im März 2020 kamen unsere Umsätze, besonders bei den Küchen­geräten, geradezu zum Erliegen. Sandwiches und Salate von Betty Bossi für unterwegs wurden kaum mehr verkauft. Aus unserer Verpflichtung heraus, nahe bei den Leuten zu sein – gerade wenn sie daheim (teils gezwungener­massen) am Kochen sind – wollten wir spontan ein Zeichen der Solidarität setzen und alle in der Küche unterstützen. Mit unserer Rezeptinitiative «Betty kocht mit dir» öffneten wir kurzerhand alle unsere Kochbücher seit 1973 – sie sind auf unserer Website für alle kostenfrei zugänglich. Überdies produzierten wir gleichnamige Hashtag-Videos, in denen wir die häufigsten Küchenfragen während des Lockdowns beantworteten. 

Allmählich begannen sich viele daheim fürs Kochen und Backen neu einzurichten und sich für unsere Leistungen zu interessieren. Davon konnten wir mit unserem Sortiment schliesslich profitieren; wir haben neue Kundinnen und Kunden gewonnen. Einen 'Gump' machten wir zudem in der Sympathie, die wir als Feedback auf «Betty kocht mit dir» bekamen. 

Können Sie eine nachhallende Resonanz feststellen? 
Die Sympathie bleibt, muss aber stetig neu verdient werden. Beim E-Commerce mit unseren Küchen­geräten verzeichnen wir ein nachhaltiges Wachstum. Tendenziell sehen wir, dass wir einen Teil der Menschen, die neu beim Kochen und Backen Begeisterung fanden, auch in den nächsten Jahren mit unseren Leistungen und Aktivitäten begleiten dürfen.


Beständige Veränderungskraft

Betty Bossi in fünf Jahren – wo lauert die Konkurrenz? 
Als kulinarische 360-Grad-Lösungsmarke verfügen wir über eine enorme Erfahrung und Kompetenz im Haus, das verschafft uns Vorteile. In den einzelnen Geschäfts­bereichen gibt es einen sehr unterschiedlichen, aber überall hohen Wettbewerbs­druck. Da heisst es, engagiert zu bleiben und uns noch expliziter zu fragen, wo, in welchen Bereichen und Megatrends, bieten sich neue Möglichkeiten für Betty Bossi? 

Wo sehen Sie neue Chancen?
Gerade das vergangene Jahr hat gewisse Tendenzen verstärkt, die unseren Kern­anliegen entsprechen. Die Bedeutung von Kochen und Essen hat für manche in der Bevölkerung eine grössere Ernsthaftigkeit bekommen. Die Ansprüche an Zutaten, an Gesundheits- und Nachhaltigkeits­aspekte haben sich ebenfalls verstärkt und werden die kommenden Jahre weiter prägen. Ich bin optimistisch: Wenn wir unseren Job mit Empathie und Nähe weiterhin richtig machen, und neue, auch digitale Leistungen und Lösungen erbringen, werden wir gestärkt in die Zukunft gehen.

Lars Feldmann persönlich – kochen Sie bei sich zu Hause? 
Ja, ich bin ein pragmatischer Alltagskoch und koche am liebsten mit dem, was ich im Kühl­schrank gerade vorfinde. Ab und zu habe ich Lust auf kulinarische Sonderleistungen, weniger mit ausgefallenen Gerichten als beispiels­weise beim Backen eines perfekten Baguettes. 

In unseren Breitengraden sind sie zwar noch nicht in aller Munde, aber es gibt auch in der Schweiz Lebensmittelprojekte mit Insekten als Proteinquelle. Haben Sie sich und Ihren Liebsten schon Gerichte mit Insekten aufgetischt? 
Selber habe ich diverse Male solche degustiert und gegessen; auch habe ich schon Insekten-Lollipops mit nach Hause gebracht, über die sich die Jungen freuten. Aber es ist kein Alltagsthema.

Inwiefern bringen Sie sich im Geschäft auch kulinarisch ein? 
Was das kochtechnische Wissen und Details betrifft, bringe ich mich nur im Hintergrund ein, da ich im Gegensatz zu vielen Mitarbeitenden kein kulinarischer Profi bin. Sehr wohl bringe ich mich jedoch in der Diskussion ein um allgemeine kulinarische Themen und Trends wie auch Wünsche und Nöte im kulinarischen Alltag, die wir als Betty Bossi aufnehmen sollten. 

Wie glücklich fühlen Sie sich in Ihrem Job? 
Es ist der schönste Job, den ich mir vorstellen kann. Dabei freue ich mich über fassbare Leistungen, die Menschen begeistern, über Mitarbeitende mit riesigem Herzblut und die Vielfältigkeit des Geschäfts­modells als Ideenfabrik.

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16.08.2021