Persönlich

Raimund Eigenmann

Leiter Produktion und Technik (1993 bis Ende 2020)

«Man darf nicht Druck ausüben, sondern muss die Leute wie in einer Mannschaft begeistern und stets am richtigen Ort einsetzen.»

Raimund Eigenmann

1985 tritt der Bauernsohn aus dem Thurgau ins Mühlenunternehmen ein und wirkt zunächst als Obermüller, dann ab 1993 als Leiter Produktion und Technik sowie als Mitglied der Geschäftsleitung bei Swissmill. Im Hinblick auf seine Pensionierung im Frühling 2021 trat er seine Führungsfunktionen Ende 2020 an seinen Nachfolger Antoine Bolay ab. Am Beginn seiner Karriere war Raimund Eigenmann als Müllereitechniker beim Technologiekonzern Bühler in Uzwil SG tätig und dabei auch mit Auslandeinsätzen betraut. Betriebswirtschaftliche Kurse sowie Coop-interne Leadership-Ausbildungen und ein Nachdiplom-Studiengang an der HSG sind Teil seines Rüstzeugs. Darüber hinaus engagierte er sich über die Jahre in verschiedensten Organisationen und Gremien: sei dies als Fachinstruktor in der früheren Versorgungseinheit Müller, Bäcker und Metzger der Schweizer Armee; als Fachobmann der Schweizer Obermüller oder im Ausschuss für Müllerei-Technologie (der AGF in Detmold D). Raimund Eigenmann ist verheiratet und Vater dreier erwachsener Söhne.

Raimund Eigenmann geht in Pension

Der Tag rückt näher: Ende März verlässt der Senior nach 35 Jahren den Mühlenbetrieb an der Limmat. Vorher schaut das Kornmagazin nochmals mit Raimund Eigenmann auf sein reiches Berufsleben und seine grosse, abgerundete Karriere bei Swissmill zurück.
Im Kornhaus: Raimund Eigenmann auf dem Verteilboden. Hier, auf rund 110 Meter Höhe, werden die 44 Silozellen mit Getreide befüllt. Bild: Mischa Scherrer

Januar 2021: Ein lebendiges Gespräch inmitten von Schachteln, Mappen und Papieren. Raimund Eigenmann sichtet und sortiert und bereitet bei Swissmill seinen Austritt vor. «Substrate von Zeitzeugnissen und Dokumenten» will er im Betrieb verteilen. Öfters zieht er eine Karte, einen Spruch oder ein Merkblatt aus seiner Auslegeordnung auf dem Tisch und spricht passioniert in grossen Linien und liebevollen Detailschilderungen über menschliche Begegnungen, Führungsgrundsätze, Herausforderungen und Meilensteine. Alles hat hier seine Geschichte. Immer wieder klingelt das Telefon, er hebt kurz ab: «Was gibt es Gutes?» Er sei in einem Interview.


Prägender Berufseinstieg

«Wie sehr mich schon die ersten Berufsjahre prägten, wird mir jetzt bewusst, wo ich wieder rausgehe», sagt Raimund Eigenmann. Stolz zeigt er ein Foto aus seiner Zeit als «Reisemüller» der Firma Bühler, als er längere Zeit in Saudi Arabien arbeitete, um eine neue Mühle einzurichten. Links auf dem Bild bei der Inbetriebnahme Gründerenkel und damaliger Konzernchef René Bühler, rechts der saudische Betriebsleiter, in der Mitte der «junge Inbetriebsetzungs-Obermüller» Eigenmann. So sei er vom Konzernchef beim Anlass begrüsst worden.  

«Dr. René Bühler war ein Oberpatron im besten Sinne», sagt Raimund Eigenmann. «Er hatte Freude an den Menschen, schaute, dass es ihnen gut geht, jeder fühlte sich von ihm wertgeschätzt, egal, auf welcher Stufe.» Er zitiert eine Bühler-Formel, die er 1980, gleich bei Ausbildungsbeginn in Uzwil, lernen musste «E = N/Z», das heisst: «Erfolg ist Neuheitswert geteilt durch Zeit. Als Junger verstehst du das ja nicht», erinnert sich Raimund Eigenmann. Neben der Wertschätzungsmaxime habe ihn diese Formel später in seiner Laufbahn jedoch stets begleitet: Das machbare Neue gelte es, mit der nötigen Sorgfalt schnell zu verwirklichen.

1993 – gleich mehrfacher Grund zum Anstossen: das 150-Jahr-Jubiläum der Mühle, zudem Raimund Eigenmanns neue Funktion als Leiter Produktion und Technik und schliesslich die Erstpräsentation eines ungebleichten Öko-Papierbeutels. Hier im Gespräch mit Coop-Kadermann Roland Frefel (links). Bild: Swissmill-Archiv

Anpassung an vier Vorgesetzte

Bei Swissmill, damals Coop-Mühle genannt, begann sein Wirken mit einem fliegenden Wechsel: Als Bühler-Angestellter hatte Raimund Eigenmann die Installation der neuen Weichweizenmühle mit zwei Linien bewerkstelligt und diese im Herbst 1985 zum Laufen gebracht. Für den damaligen Mühlendirektor Albert Brunner war klar: «Sie bleiben da.» Letztlich sei es jedoch auch in Bühlers Interesse gewesen, einen Kenner ihrer Firma in der grossen Mühle in Zürich zu wissen. 

In den vergangenen Jahrzehnten arbeitete Raimund Eigenmann mit vier Geschäftsführern zusammen, namentlich mit Albert Brunner, Rudolf O. Huber, Josef Achermann und Romeo Sciaranetti. Und im Zuge von strategischen Veränderungen gelang es ihm, «sich von unten her anzupassen; zwar nicht immer gern, aber ich lernte es, weil es nötig ist.» Dass ihm Romeo Sciaranetti, seit 2010 sein Vorgesetzter, so viel Vertrauen und Gestaltungsfreiheit schenkte, dafür ist er dankbar. Ebenso möchte er Mutter Coop für alles danken, was ihm allein durch interne Kaderausbildungen, Leadership- und Managementtagungen ermöglicht wurde. 


Teamzusammenhalt

Wohl verfolgte er in Produktion und Technik stets sportliche Ziele. «Die Mitarbeitenden waren mir aber immer das Wichtigste», sagt er und ergänzt: «Man darf nicht Druck ausüben, sondern muss die Leute wie in einer Mannschaft begeistern und stets am richtigen Ort einsetzen». Genauso gelte es, «anderen auch eine Freude zu gönnen und zum Sieg zu verhelfen.» Das lernte er schon in den Jahren nach seinem Einstieg als Obermüller in der Coop-Mühle, als noch Personalmangel herrschte. Und möglicherweise entspricht diese Haltung auch seinem Naturell. 

Die Förderung des Müllernachwuchses sei seit Mitte der Neunzigerjahre ein grosses Verdienst von Silochef und Ausbildungsleiter Hans Schmid. «Wir sind stolz auf die tollen, interessierten jungen Leute, die als Lernende zu uns kommen, dann öfters auch bleiben oder zurückkommen. Denn auch heute wollen lange nicht alle in der Cloud rumclouden.»

Raimund Eigenmann bei der Getreideanlieferung per Bahn. «Bis zu 900 Tonnen Getreide vermag die ferngesteuerte Loki zu ziehen, dies bei höchster Sicherheit.» Bild: Michael Sieber
Arealvisualisierung mit Innensichten: Voller Freude zeigt Raimund Eigenmann auf das 118 Meter hohe Kornhaus, das im Herbst 2016 in Betrieb genommen wurde. Bild: Mischa Scherrer


«Ich durfte auf den Fundamenten aufbauen und die Mühle weiterbauen.»

Raimund Eigenmann


Stolze Höhepunkte

In seinem Berufsverständnis ist er ein Vollblutmüller. «Fast noch lieber aber habe ich gebaut», verrät er. Da ist er bei Swissmill von Beginn weg hineingewachsen. «Ich durfte auf den Fundamenten aufbauen und die Mühle weiterbauen.» Wenn er Erneuerungspotenziale und -notwendigkeiten aufspürte, setzte er mit Schwung und Begeisterung die Hebel in Bewegung, um die massgeblichen Entscheidungsträger für Projektideen zu gewinnen, was ihm oft auch gelang.  

Sein besonderer Stolz? «Das sind schon die grossen Bauten, die wir als Unternehmen verwirklichen konnten, vom Lagerhaus über das Endprodukte-Silo oder Bahngleis bis hin zum ‘Allergrössten’, unserem Kornhaus, auch nach vier Jahren ein Bauwerk quasi ohne Makel. Etwas Bleibendes in die Stadt hineinbauen zu dürfen, ist eine wahre Freude.»


Learning by doing

Nicht alles richtig gemacht, das hat auch Raimund Eigenmann. Zwischendurch zahlte er Lehrgeld. Zum Beispiel, als er gerade mal 28-jährig nach kurzfristiger Kündigung des Projektleiters den Bau des neuen Mehlsilos und Lagerhauses, ein 25-Millionen-Projekt, zu betreuen hatte. Bauleute hätten seine Unwissenheit bitter ausgenutzt. Später fand er in Heinz Luder, seit 1993 Bauspezialist bei Swissmill, optimale Verstärkung. «Immer im ‘Übergwändli’ habe ich Heinz Luder dann als Frontmann und Kontrolleur auf allen Bauplätzen eingesetzt; und öfters so auch Geld gespart.» 

Er warnt vor Übermut und Oberflächlichkeit und erinnert sich, wie eine falsche Materiallieferung unkontrolliert blieb und dann einen besonderen Einsatz erforderte, um ein Fiasko zu verhindern. «Überhaupt», sagt er, «muss man den Mut haben, eigene Entscheide immer nochmals schräg anzuschauen, man hat nicht immer recht, auch wenn man es meint.» 

Etwas Eigensinn zeichnet einen Eigenmann aber schon auch aus. Als es um die Aussengestaltung am Limmatufer ging, und er es vor dem inneren Auge schon wachsen und blühen sah, war sein vormaliger Vorgesetzter mit seinen Projektideen nicht sonderlich zufrieden. So pflanzte Eigenmann als besonderes Statement beim roten Bürotrakt eine Trauerweide. Er öffnet das Fenster und lacht: «Schauen Sie dort, wie gross gewachsen, schön und geschmeidig sie dasteht.»

In der Rückschau ist er dankbar für alle Lernchancen, die sich ihm boten. Kurzum, dank hoher Kundenansprüche, spezieller Fragen bei Führungen, beim Netzwerken, durch Ideen von jungen Leuten und generell in der Zusammenarbeit. Viel lernen konnte er nicht zuletzt «beim Bauen – durch ‘Flöhe’ von Architekten und Lehren von Bauingenieuren. Statik ist das A und O, da dürfen in Generationenprojekten, wie wir sie realisieren, keine Fehler passieren. Auch hier gilt es, sich anzupassen.»

Kleinere oder grössere Baustellen gibt es bei Swissmill eigentlich immer: Raimund Eigenmann bei einer Kontrolle des neuen Fluchttreppen-Turms beim Loseverladesilo, wo täglich bis zu 800 Tonnen Mahlprodukte die Mühle verlassen. Im Hintergrund das Malzsilo der ehemaligen Brauerei. Bild: Michael Sieber


«Wenn eine grosse Eiche nicht mehr im Wald steht, können neue Pflanzen ans Licht kommen und wachsen – und auch wieder Neues schaffen.»

Raimund Eigenmann


Markanter Übergang

Jetzt, wo die letzten Fünfziger-Jahrgänge den Mühlenbetrieb verlassen, freut sich Raimund Eigenmann, dass die Achtziger in den Verantwortungspositionen nachrücken. «Wenn eine grosse Eiche nicht mehr im Wald steht, können neue Pflanzen ans Licht kommen und wachsen – und auch wieder Neues schaffen.» 

Im Hinblick auf seinen Neuanfang verspürt er hin und wieder gewisse Unsicherheiten, etwa wenn er sich fragt, ob ihm die zahlreichen Kontakte dann fehlen würden oder gar Langeweile aufkommen könnte? Das sei wohl normal. «Umso mehr als ich Corona-bedingt nicht einmal einen Pensionierungskurs machen konnte», sagt er mit einem Augenzwinkern. Ach je, ein ordentliches Abschiedsfest ist in diesen Tagen ebenfalls kein Thema. Sicher ist jedoch, dass er sein Abschiedsgeschenk für die Belegschaft schon bereithält. 

Ab Frühling warten dann auf den Kleinwaldbesitzer und Hobby-Bauer Eigenmann neue Aufgaben, um im Bereich der Natur, mit Hochstammapfelbäumen und drei Bienenvölkern, für Gedeihen und reiche Ernte zu sorgen. Über dies wird in Kürze ein zweites Enkelkind sein Leben bereichern. Und für den zeitweiligen Tapetenwechsel hat ihm seine Frau schon mal ein Halbtaxabo für den ÖV verordnet. Auch schön. Glück zu, Raimund Eigenmann!

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