Eigenes Know-how
Warum hat Coop unlängst am Standort Pratteln in ein eigenes, so grosses, neues Labor investiert?
Raggini: Anders als europäische Detailhändler hat sich Coop dafür entschieden, das Qualitätsmanagement, die Qualitäts- und Selbstkontrollen in der eigenen Hand zu haben. Wir sind ein Qualitätsanbieter, profilieren uns am Markt über ein erstklassiges Bio-Segment und produzieren auch Eigenmarken. Das erfordert eigene Fachleute, die in Bezug auf Qualität und Lebensmittelsicherheit fähig sind, die Lieferkette bis in den Verkauf gut zu durchdenken. Da wollen wir uns nicht in erster Linie auf externes Know-how verlassen.
Bögli: Einen analytischen Auftrag zu vergeben, ist etwas anderes als beim Velohändler einen Bremsklotz ersetzen zu lassen, wo man nachher prüfen kann, ob der neu ist. In der Analytik bewegt man sich an der technischen Grenze dessen, was machbar ist. Nur wer diese kennt, kann die Aussagekraft von Resultaten beurteilen und die richtigen Schlüsse daraus ziehen. Es reicht nicht, sich einzig auf externe Prüfberichte abzustützen, wenn es beispielsweise um Feinheiten in Bezug auf Wirkstoffe und Rückstände von Pestiziden geht. Selbst um Ziele einer Analyse zu definieren, ist fundiertes Wissen darüber nötig, was die aktuelle Analytik leisten kann. Eigenes Know-how ist zudem in kritischen Situationen wichtig, wo schnelle Informationen gefordert sind.
Sie arbeiten jedoch auch mit externen Labors zusammen.
Raggini: Ja, das Zentrallabor macht für die Coop-Gruppe nicht alles selber. Wir arbeiten auch mit definierten privaten Partnerlabors zusammen. Aus Kapazitätsgründen vergeben wir Aufträge bei Bedarf extern. Bei Hygieneproben aus den Verkaufsstellen arbeiten wir ebenfalls mit regionalen Partnerlabors zusammen. Es ist wenig sinnvoll, alle Monitoringproben aus dem Tessin hierher zu transportieren. Das bedeutet Zeitverlust und womöglich Qualitätseinbussen bei den Proben.
Herausforderungen
Inwiefern ist Lebensmittelbetrug eine Herausforderung?
Raggini: Es ist und bleibt international ein zentrales Thema mit einem ewig gleichen Sachverhalt: Jene, die etwas schönen oder verfälschen, sind den Kontrollierenden typischerweise einen Schritt voraus. Ob Fleischmischungen, gestreckte Getränke, Labeltäuschungen – da gibt es schon Dreistes, und jeder Einzelfall sorgt für Aufregung.
Im QM Food / Non Food haben wir jedoch versierte Fachleute mit einem grossen Erfahrungsschatz. In eigenen Meetings versuchen wir vorausschauend neue Fragestellungen zu beleuchten. Bei kritischen Produktgruppen streben wir eine bestmögliche Transparenz in den Lieferketten an, das ermöglicht präventiv eine höhere Absicherung und verringert die Gefahr, Betrugsopfer zu werden. Denn als Händler oder Hersteller sind wir als Opfer auch immer Täter, indem wir die Ware anbieten. Dennoch: Bei dem Riesensortiment von Coop ist es uns nicht möglich, allen Gefahren zu 100 Prozent zuverlässig zuvorzukommen.
Bögli: Das höchste Risiko entlang der ganzen Warenkette geht generell aber immer noch von Hygieneproblematiken aus, die im Ernstfall zu Erkrankungen oder gar Todesfällen führen können.
Wie ist die Situation im Hinblick auf Schadstoffe in Produkten?
Raggini: Man kann sagen, dass sich die Lebensmittelsicherheit in den letzten Jahrzehnten gesamthaft stetig verbessert hat. Übers Ganze sind weniger problematische Stoffe festzustellen. Heute bringt kein Schweizer Detailhändler mehr Produkte in die Verkaufsgestelle, wie sie in den Achtzigerjahren noch vorhanden waren. Allerdings, selbst bei Bio-Produkten sind heute manchmal Pestizidrückstände festzustellen, dies allein aufgrund von Windverwehungen.
Bögli: Eine Rolle spielt dabei, dass die heutige Analytik gegenüber früher immer geringere Rückstände messen kann. Entsprechend bringen diese andere und mehr Funde hervor, und man findet schneller eine Spur als noch vor 15 Jahren. Die effektiv gefundenen Schadstoffmengen haben sich insgesamt jedoch verringert. Sicherlich zurecht ist in jüngerer Zeit das Bewusstsein für ökologische Anliegen in der Bevölkerung stark gestiegen.
Netzwerk
Zum Schluss: Gibt es Unterschiede zwischen in- und ausländischen Labors?
Raggini: Wir beide pflegen ein sehr gutes Netzwerk, arbeiten in Fachgruppen der Lebensmittelindustrie und des Bundesamts mit und bringen uns in Behördengeschäften und Kongressen ein. Hierzulande herrscht da eine sehr gute Kultur der Zusammenarbeit und ebenfalls ein gegenseitiges Interesse an gemeinsamen Lösungen. So haben wir bei der Klärung von Problemen die Möglichkeit, Stellung zu nehmen. Das ist ein Riesenvorteil gegenüber den umgebenden Ländern, wo vor allem Juristen mit den Behörden kommunizieren. Bei uns sind es noch Ausnahmen, dass wir Dinge juristisch zur Klärung bringen wollen.
Bögli: Im gemeinsamen Austausch gewinnen alle Seiten an Wissen, um im Lebensmittel- und Non Food-Bereich präzisere Risikobewertungen vorzunehmen und Entscheidungen gezielter zu fällen und Themen, die im Kommen sind, auf der richtigen Stufe anzugehen. Die Kontakte sind sehr wertvoll.