Sie, Herr Richter, werden die Versuchsbäckerei von Swissmill deutlicher als Kompetenz- und Servicecenter für Kunden positionieren. Inwiefern?
Intern und in der Verbindung zu den Bäckereien ist es mir wichtig, das gegenseitige Verständnis und Vertrauen weiter zu stärken. Ein offener Ideenaustausch im Hinblick auf Rezepturen und die Sortimentsentwicklung sowie die Prozessberatung vor Ort gehören auch zu unserem Service.
Was bedeutet das konkret?
Wie mein Vorgänger belasse ich es nicht bei Telefonaten, sondern gehe gegebenenfalls auch nachts in Bäckereien. Gerne lade ich Bäcker dann ein, um bei uns die Produktionsabläufe sowie den Aufwand zur Qualitätssicherung kennenzulernen. Wir reden mit Kunden über ihre Ziele und kreieren nach ihren Ansprüchen hier Test-Produkte, beispielsweise Brötchen mit spezifischen Eigenschaften. Die Fragestellung bringe ich jeweils zu den Mühlenfachleuten, wobei die Müller schliesslich eine Mustervermahlung für die Versuche beim Kunden herstellen.
Inwiefern dient Ihnen Ihr langjähriges Wirken an der Zürcher Fachhochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Wädenswil bei Swissmill?
Das Wissen und die Erfahrung von der ZHAW bleiben. Überdies weiss ich, wie man Projekte angeht, das kann ich Kunden in der Bäckerbranche weitergeben. Mir ist es wichtig, mit externen Forschungsexpertinnen und -experten in Verbindung zu bleiben. Dank der vielfältigen Projektmitarbeit an der ZHAW habe ich ein grosses Netzwerk wie auch den Rundblick, etwa über gesetzliche Vorschriften. Falls ich bei internen oder bei Kundenanliegen nicht selber Lösungshilfen oder eine Empfehlung habe, kann ich Kontakte zu Experten herstellen.
Gibt es in der Mühle Neues im Bereich von Forschung und Entwicklung?
Sicher, wir bleiben dran. Teilweise arbeiten wir dabei mit Kompetenzpartnern zusammen, die uns helfen, Vor- und Nachteile festzustellen – beispielsweise beim Einsatz von Faserstoffen. Wir arbeiten ebenfalls daran, mit Nebenströmen anders umzugehen. So tauschen wir von der Mühle mit der ZHAW Erfahrungswerte aus. Die Forschung sagt dann, welche Faktoren im Detail entscheidend sind.
Das A und O für die Backbranche sind Mehle in konstanter Güte. Da profitieren Kunden von den jährlichen Ernteanalysen von Swissmill und dem grossen Wissen des Labors über Getreiderezepturen. Was ist sonst noch wichtig?
Es kommen verschiedene Kriterien zum Tragen, um trotz Ernteschwankungen eine konstante Qualität zu erreichen. Regelmässig stellen wir uns in Sitzungen unter der Leitung von Andreas Frank den Fragen: Was ist nötig beim Einkauf, bei den Mischvorgängen, der Vermahlung, dem Silomanagement und der Lieferung?
Damit die Müller die Rohstoffe optimal nach den Wünschen der Kunden für ihre Backwaren verarbeiten können, haben wir die entsprechenden Eigenschaften oder Mengen für die jeweiligen Mahlerzeugnisse festgelegt. So kennen wir unsere Möglichkeiten und Hilfestellungen, die wir im Haus anbieten können, damit die vom Kunden gewünschte Qualität erzielt wird. Bei erntebedingten Qualitätsschwankungen geben wir anhand der Mehlkennzahlen die nötigen Informationen an die Kunden weiter. Zum Beispiel empfahlen wir den Bäckern angesichts der Ende 2018 proteinreichen Mehle, mit Backmitteln zurückzuhalten.
Sie sind auch bestrebt, das Backverständnis der nächsten Müller-Generation zu fördern.
Ja, Ziel ist es, dass wir unsere Lernenden im Bereich der Schnittstellen Müllerei und Abnehmer gut schulen, damit sie eine gewisse gemeinsame Sprache mit den Bäckern lernen. Sie kommen zu mir in die Backstube, und wir klären etwa, was eine Überknetung ist oder wie viel Backmittel Bäcker in Teige einbringen dürfen. Die Lernenden analysieren modifizierte Mehle, die sie dann verbacken. Wir arbeiten mit Sauerteig, Vorteig und Backmitteln. Das macht ihnen Spass. Sie wissen, dass jedes Unternehmen innovativ und dabei erfolgreich sein will. Ich betone allerdings auch, dass nicht jede Projektidee gelingt. Zu wissen, dass etwas nicht funktioniert, ist mitunter auch ein Erfolg. Jedenfalls wollen wir unsere jungen Fachleute fit machen, sodass wir uns in zehn bis fünfzehn Jahren dann, im Garten sitzend, über ihre Erfolge freuen dürfen.