Persönlich

Romeo Sciaranetti

Geschäftsleiter Swissmill und Leiter der Coop-Produktionsbetriebe

«Meine Aufgabe sehe ich vor allem im Bereich der strategischen Prozesse.»

Romeo Sciaranetti

Romeo Sciaranetti (57) ist in Basel aufgewachsen und hat an der dortigen Universität Wirtschaftswissenschaften studiert. Nach dem Studium stieg er bei Kraft Foods Schweiz in die Welt der Lebensmittel ein. Bevor er 2009 zu Swissmill stiess, führte er die Lebensmittel-Produktionsbetriebe der Valora AG. Er ist seit 2009 Geschäftsleiter von Swissmill und seit 2023 Leiter der Coop-Produktionsbetriebe. 

Romeo Sciaranetti ist in verschiedenen Gremien aktiv: Er ist Vorstandsmitglied der Foederation der Schweizerischen Nahrungsmittel-Industrien (fial) sowie Mitglied im Verwaltungsrat der RéserveSuisse Genossenschaft. Bis 2023 war er im Vorstand des Dachverbands Schweizerischer Müller (DSM) und der Branchenorganisation Swiss Granum sowie Mitglied der Beratenden Kommission für Landwirtschaft (BEKO). 

«Vertikale Integration bedeutet, gemeinsame Lösungen zu finden»

Swissmill CEO Romeo Sciaranetti leitet seit Anfang 2023 die Produktionsbetriebe von Coop. Die acht Unternehmen, zu welchen auch Swissmill gehört, sollen in strategischen Bereichen wie Innovation, Digitalisierung und Nachhaltigkeit noch stärker zusammenarbeiten. Ein Gespräch über Zukunftsprojekte, unternehmerische Freiheit und die neue Doppelrolle.
Swissmill-Geschäftsleiter Romeo Sciaranetti leitet seit Januar 2023 die Coop-Produktionsbetriebe. Bilder: Daniel Sutter

Herr Sciaranetti, Sie haben seit einem guten Jahr zusätzlich zur Geschäftsleitung von Swissmill die Leitung der Coop-Produktionsbetriebe inne. Wie kam es dazu?
Die Leitungsfunktion wurde im Zuge einer Reorganisation der Coop-Gruppe neu geschaffen mit dem Ziel, die Zusammenarbeit zwischen den acht Produktionsbetrieben weiter zu stärken. Da ich bereits bei Valora die einzelnen Produktionsunternehmen geleitet habe, bringe ich entsprechendes Wissen und Erfahrung mit. Es bestand für mich deshalb kein Zweifel, dass ich diese Herausforderung annehmen möchte.


Ich sehe mich auch als Sparringpartner, wenn es darum geht, das operative Geschäft der einzelnen Betriebe erfolgreich weiterzuführen.

Romeo Sciaranetti


Die acht Produktionsbetriebe sind in unterschiedlichen Branchen tätig und mit unterschiedlichen Herausforderungen konfrontiert. Wie definieren Sie Ihre Rolle als Leiter dieser eigenständigen Betriebe?
Ich komme aus der Food-Welt und kenne die einzelnen Betriebe gut, da ich seit bald 15 Jahren bei Coop tätig bin. Meine Aufgabe sehe ich vor allem im Bereich der strategischen Prozesse. Dazu gehören Themen wie Unternehmensstrategie, Organisation, Investitionen und Finanzen. Die Basis ist dabei jeweils eine Fünf-Jahres-Strategie für jede Geschäftseinheit. Ich sehe mich aber auch als Sparringpartner, wenn es darum geht, das operative Geschäft der einzelnen Betriebe erfolgreich weiterzuführen. Sie sind in unterschiedlichen Märkten tätig: Die einen sind stark auf den Detailhandel von Coop ausgerichtet, andere auf den Drittkundenmarkt und den Export. Deshalb sind die Herausforderungen bei allen etwas anders gelagert. Wir wollen eine gemeinsame Basis schaffen und sicherstellen, dass jeder Betrieb in seinem Kontext und innerhalb seiner Strategie erfolgreich operativ tätig sein kann. 

Verwaltungsrat und Geschäftsleitung von Coop haben im Herbst 2023 eine neue Strategie verabschiedet – das sogenannte Strategiehaus. Was sieht diese für die Produktionsbetriebe vor?
Coop hat in der Strategie drei Hauptziele definiert, und eines davon steht für die vertikal integrierte Produktion. Dies ist ein starkes Signal und gleichzeitig Verpflichtung, die uns gesteckten Ziele zu erreichen. Wir müssen Sortimente, Produkte und Leistungen anbieten, die es Coop erlauben, als Detailhändler erfolgreich zu performen, sei dies im Sinne von Marktanteilen und/oder Margen. Und vertikale Integration bedeutet, gemeinsame Lösungen zu finden – immer mit dem Ziel, sich gegenüber externen Bewerbern zu differenzieren.


Die Coop-Produktionsbetriebe zeichnen sich dadurch aus, dass sie sehr innovativ waren und sind. Ein wichtiger Grund dafür ist die seit 30 Jahren gelebte Nachhaltigkeit.

Romeo Sciaranetti


Die Betriebe müssen also am Ball bleiben und innovativ sein. 
Das ist ein wichtiger Punkt. Eigenmarken-Produktionsbetriebe kopieren Marken oft mehr schlecht als recht. Nicht so die Coop-Produktionsbetriebe. Diese haben in den vergangenen Jahren viel geleistet und zeichnen sich dadurch aus, dass sie sehr innovativ waren und sind. Ein wichtiger Grund dafür ist die seit 30 Jahren gelebte Nachhaltigkeit. Dazu gehören Produkte und Sortimente wie Naturaplan, Naturaline, IP Suisse oder Fairtrade. Auch die nachhaltige Beschaffung ist ein wichtiges Thema. Halba engagiert sich zum Beispiel stark für die Kakao-Produzenten in Ghana, die ein Einkommen und Bildungsmöglichkeiten für ihre Kinder haben sollen, und fördert – wie auch die Reismühle Nutrex – die Diversität. Ausserdem investieren wir viel in ressourcenschonendere Verpackungen. So gelang es CAVE und Pearlwater, den Ressourcenverbrauch für Glas und PET stark zu reduzieren. Auch die Kreislaufwirtschaft wird immer wichtiger: Steinfels nimmt beim Handspülmittel Fox die grossen Bidons aus dem Professional-Geschäft zurück und ein Schweizer Verarbeiter rezykliert sie und bereitet sie zu Flaschen im Retailgeschäft auf. Die CO2-Emissionen aus der Produktion einer solchen Flasche sind fünfmal tiefer als jene einer Flasche aus Neumaterial.

Innovation ist nur mit den nötigen Ressourcen möglich. Wo stehen die acht Betriebe diesbezüglich?
Die Produktionsbetriebe haben in den letzten Jahren viel in Standorte und Betriebsmittel investiert. Das erlaubt uns, bezüglich Technik vorne dabei zu sein und neue Produkte auf den Markt zu bringen. Ein aktuelles Beispiel ist die neue Hohlfigurenanlage bei Halba, mit der Osterhasen individuell geschminkt werden können. Die Vielfalt ist ein wichtiger Wachstumsgenerator für unser Geschäft und zugleich ein Differenzierungsmerkmal. Auch die Nähe zu den Kundinnen und Kunden ist ein wichtiger Treiber für die Innovation. Unsere Betriebe sind mit Coop Retail und Transgourmet stark eingebunden und von Anfang an mit dabei, wenn es um die Entwicklung neuer Lösungen, Konzepte und Produkte geht.


Wir sind alle Teil der Coop-Gruppe und profitieren von Synergien aus dem Mutterhaus.

Romeo Sciaranetti


Mithilfe der neuen Organisationsstruktur sollen auch vermehrt Synergien geschaffen werden. Was müssen wir uns darunter vorstellen?
«Synergien» ist ein grosses Wort. Die Betriebe haben eigenständige Strategien und Ziele und brauchen unternehmerischen Freiraum, um erfolgreich zu sein. Wir sind aber alle Teil der Coop-Gruppe und profitieren von Synergien aus dem Mutterhaus. So sind zum Beispiel Abläufe in den Finanzen und im HR zentralisiert, und in der IT erarbeitet Coop zentral Lösungen, die weiterentwickelt und multipliziert werden. Auch in der Distribution nutzen wir die internen Möglichkeiten der Logistik. So hat Coop mit Railcare einen eigenen Gütertransport auf der Schiene. 

Romeo Sciaranetti: «Ich bin überzeugt, dass im Bereich Nachhaltigkeit noch viel möglich ist.»

Sie haben die IT erwähnt. Was ist im Bereich der Digitalisierung geplant? 
Wir wollen in allen acht Betrieben und an allen zwölf Standorten möglichst stark von Softwarelösungen von Coop profitieren. So gibt es bereits ein Coop-SAP speziell für die Produktionsbetriebe. Das ist nicht trivial, bietet aber enorme Vorteile. Man muss die Software nur einmal entwickeln und dann multiplizieren. Parallel dazu wollen wir in den einzelnen Betrieben wie auch zentral weiter Know-how aufbauen. Unsere IT-Bedürfnisse haben sich in den vergangenen Jahren gewandelt. Wir haben deshalb den Prozess DigiPro gestartet, um die IT-Anforderungen der einzelnen Betriebe zu konsolidieren und sie mit der Zentrale in Basel aufzunehmen.

Können Sie ein Beispiel nennen?
Ein wichtiges Thema ist die transparente Abbildung der Produktionsprozesse. Wir müssen hierzu Redundanzen eliminieren und die Schnittstellen vereinfachen. Ein Klassiker ist die Chargenrückverfolgbarkeit im Qualitätsmanagement. Diese muss auch bei komplexen Produkten, die mehrfach verarbeitet werden, lückenlos garantiert sein. Ob Brot oder Schokolade: Das sind komplexe Prozesse und gute Systeme erhöhen die Prozesssicherheit, die Qualität und die Lebensmittelsicherheit.

Denkt man hier auch an mehr Transparenz gegenüber den Kundinnen und Kunden?
Wenn man den Gedanken fertig denkt, geht es sicher auch darum. Ob man das auf jeder Verpackung abbilden kann und will, ist auch eine Frage der Verhältnismässigkeit. Aber grosse Transparenz ist schon erreicht, wenn man weiss, aus welcher Region die Rohstoffe stammen und wie sie produziert wurden. Halba hat bei der Transparenz bis zum Ursprung schon viel erreicht und diese wird in Zukunft sicher wichtiger werden.


Wenn wir intelligent zusammenarbeiten, können die Spezialistinnen und Spezialisten die «Time to Market» weiter verbessern.

Romeo Sciaranetti


Sie haben sich hohe Ziele gesteckt. Was sind die zentralen Themen der nächsten Jahre?
Ich bin überzeugt, dass im Bereich Nachhaltigkeit noch viel möglich ist. Wir haben schon einiges erreicht, aber die Möglichkeiten sind noch nicht ausgereizt. Wenn wir intelligent zusammenarbeiten, können die Spezialistinnen und Spezialisten die «Time to Market» weiter verbessern. Auch in der Kommunikation können wir mutiger sein und mit konkreten Beispielen aufzeigen, was erreicht wurde.

Sie denken also in Richtung eines Think-Tanks, der für alle acht Produktionsbetriebe neue Ideen und Lösungen entwickelt?
In gewisser Weise ja. Die Produktionsbetriebe tauschen sich untereinander und mit dem Nachhaltigkeitsteam in Basel aus, damit alle im Boot sind und Doppelspurigkeit vermieden werden kann. Wir wollen die begrenzten Ressourcen zielgerichtet nutzen. So sind wir schneller und erreichen zugleich eine Signalwirkung. Ich bin überzeugt: Da liegt noch einiges drin.


Die Anforderungen der Arbeitnehmenden sind vielschichtiger geworden. Wir müssen uns Gedanken machen über Lösungen wie neue Arbeits- und Schichtmodelle.

Romeo Sciaranetti


Was steht für das Jahr 2024 zuoberst auf der Prioritätenliste?
Wir wollen die laufenden Projekte in den Bereichen Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Innovationen innerhalb der Budgets erfolgreich umsetzen. Ein weiteres Thema ist die Beschaffung. Wir bewegen uns in stark volatilen Rohstoffmärkten und die Grosswetterlage ist unsicher. In diesem Umfeld wollen wir uns strategisch gut verhalten. Und nicht zuletzt wollen wir uns im Arbeitsmarkt stärker positionieren. Es gibt in unseren Betrieben zukunftsgerichtete Berufsbilder wie Lebensmittelingenieur:in, Betriebselektriker:in oder Linienführer:in, die wir bekannter machen möchten. Die Anforderungen der Arbeitnehmenden haben sich zudem verändert und sind vielschichtiger geworden. Wenn wir attraktive Arbeitgeber sein wollen, müssen wir uns Gedanken machen über Lösungen wie neue Arbeits- und Schichtmodelle.

Welche Bilanz ziehen Sie persönlich aus diesem ersten Jahr mit Doppelrolle?
Es war ein intensives und spannendes Jahr, in dem ich auch viel gelernt habe. Einen grossen Teil der operativen Tätigkeit von Swissmill konnte ich erfolgreich an Kolleginnen und Kollegen weitergeben. Die Zusammenarbeit mit den anderen Betrieben war sehr konstruktiv und von grosser gegenseitiger Unterstützung und Anerkennung geprägt. Insofern war es ein kurzes Warmlaufen und ich möchte den Weg so weitergehen. 

Was macht die Faszination der neuen Aufgabe aus?
Die grosse Vielfalt. Obwohl alle Betriebe in der Coop-Welt vertikal integriert sind, sind sie in verschiedenen Märkten und Segmenten tätig. Von der Erschliessung einer neuen Wasserquelle über die Optimierung der Fischzucht bis zu Bäckereien, die in allen Verkaufsstellen ofenfrisches Brot anbieten wollen; von Exportwachstum über grosse Bauprojekte bis zur Stärkung der Schweizer Produktion: Diese Vielfalt ist enorm faszinierend.



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